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Oberrieder Dorfgeschichten
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Geschichte des Gasthaus Hirschen in Oberried

Gasthaus Hirschen 2021
Bereits in sehr frühen Zeiten hatte das Gelände um den heutigen Hirschen eine große Bedeutung für Oberried. Da wo heute der Narrenbrunnen steht, stand einst eine mächtige Linde unter deren Ästen bei gutem Wetter die Dinggerichte stattfanden. Nahe bei der Linde floß damals auch der Vörlinsbach noch vorbei. Auch im Jahre 1296 fand ein Dinggericht statt, bei dem das erste Oberrieder Dingrodel abgefasst wurde. Bei schlechtem Wetter diente ein Schopf als Unterstand, dort wo heute das Gasthaus Hirschen steht. Aus dem Unterstand wurde im Laufe der Jahre ein stattliches Gebäude, das angeblich schon früh als Gaststätte genutzt wurde.
Hirschen, Hauptstraße und Dorflinde um 1940
Die Wilhelmiten erbauten von 1685 bis 1715 das Kloster und legten einen großen Pfarrgarten an. Aber erst 1725, als das Kloster an St. Blasien angegliedert wurde, wurde um den Pfarrgarten auch eine Mauer gezogen. Das Gelände rund um die Linde gehörte dem Kloster und damit auch das Gebäude aus dem der Hirschen werden sollte. Bereits vor der Angliederung war das Gebäude an der Abzweigung nach Zasteler ein Gasthaus, betrieben von einem Mathias Thoma. Drei Jahre nach der Angliederung, im Jahre 1728, stellte das Kloster als Klosterjäger den aus Bayern stammenden Joseph Ertel an. Im Jahr darauf erhielt Joseph das Gebäude und umliegende Gelände zu Lehen des Klosters. Ein Wirtschaftsrecht erlangte erst 1773 sein Sohn Andreas. Ihm wurde damals das Wirtschaftsrecht und die Taverne in den Lehensbrief geschrieben. Erst 1802 kam auch das Backrecht hinzu.

Der erste Hirschenwirt war also Andreas Ertel und den Hirschen als offizielles Gasthaus gab es sonach seit 1773.
Grabstein Andreas Ertel, gestorben 1794 mit 78 Jahren
Todesurkunde Hermann ErtelDem Andreas folgte sein Sohn Johann Baptist Ertel, der angeblich ein ungezügeltes und verschwenderisches Leben führte und dadurch in Schulden geriet. Die Gläubiger hatte er in dem Glauben gelassen, dass er Eigentümer des Hirschen wäre, was dann bei einer Untersuchung durch den Prior von Oberried herauskam. Das Lehen wurde ihm entzogen und seinem Sohn mit gleichem Namen übergeben.
Dieser Johann Baptist Ertel heiratete am 05.05.1805 die Maria Anna Ernst von Neuhäuser. Er war im Gegensatz zu seinem Vater ein tüchtiger Mann und kaufte 1806 kurz vor der Säkularisation dem Kloster den Hirschen um 3200 Gulden ab. Im Jahre 1815 riss er das alte baufällige Gebäude ab und baute es so auf wie es heute noch steht.
1841 verkaufte Maria Anna die Witwe von Johann Baptist Ertel den Hirschen und auch eine Wohnung in der ehemaligen Klosterscheuer an ihren Sohn Hermann Ertel. Aus dem Verkauf wurde 1845 ein Geschenk und Hermann Ertel verkaufte den Hirschen 1847 umgehend weiter an Josef Ernst, seinen Großvater. Hermann Ertel war Gemeinderat und hat dennoch an der Revolution von 1848/49 mitgewirkt. Als einer der Rädelsführer hat er eine größere bewaffnete Truppe aus Oberried auf dem sogenannten Heckerzug nach Freiburg angeführt. Deswegen wurde er als Gemeinderat entlassen und Josef Ernst, der neue Hirschenwirt rückte auf seinen Posten nach.
Der Sohn Pius Ernst übernahm als nächster Wirt den Hirschen . Von ihm heisst es, er sei ei rechter Schalk gewesen. Sowohl bei Karten- als auch bei Würfelspiel habe er seine Tricks gehabt.
Von den sieben Kindern des Pius übernahm der Sohn Eugen Ernst mit seiner Frau Johanna Rombach den Hirschen. Eugen kam 1924 bei einem Unfall mit seinem Fahrrad ums Leben. Die Witwe führte fortan den Hirschen mit ihren zwei Söhnen weiter. Diese Söhne kehrten jedoch aus dem Weltkrieg nicht mehr heim. Die alleingebliebene Johanna wurde 1956 von zwei Männern aus einer Flüchtlingsfamilie, die im Hirschen als Mieter eine Bleibe gefunden hatten, überfallen und starb aufgrund des Schreckes bei diesem Überfall.
Postkarte Gasthaus Hirschen 1966
Tafel zur Übernahme 1958
Nun war die Familie Ernst in Oberried ausgestorben. Hermann Riesterer vom Gäsenhof, dessen Großmutter eine gebürtige Ernst vom Hirschen war, hat dann 1957 den Hirschen gekauft und 1958 eröffnet. Die Übernahmetafel datiert vom 07.06.1958. Hermann war verheiratet mit Martina Rombach. Das Paar hatte vier Kinder. Der Sohn Ottmar kam mit 17 Jahren bei einem Autounfall ums Leben, von den drei Töchtern Gertrud Marianne und Christine übernahm später Gertrud den Hirschen.
Unter dem Wirt Hermann Riesterer wurde 1983 ein Gästehaus gebaut und 1984 eröffnet. Seine Frau Martina brachte 1964 aus dem Kaiserstuhl das Rezept für ein Gericht „Hahn im Korb“ mit, welches viele Jahre lang sehr erfolgreich war. 2014 konnten im Hirschen 50 Jahre Hahn im Korb gefeiert werden. Heute erhält man genau den gleichen Hahn im Korb in der Dorfschänke in Oberried.
Tafel zur Übernahme 1991
Von den Töchtern übernahm Gertrud mit ihrem Mann Norbert Burger am 01.04.1991 die Wirtschaft. Am 20.04.1991 fand die festliche Übernahme statt mit einem großen Maibaum, gestellt von den jungen Männern aus dem Vörlinsbach und dem Unterdorf. Norbert Burger ist in Waldkirch geboren und in Kollnau aufgewachsen. Kurz nachdem sich Gertrud und Norbert kennenglernt hatten, halfen sie 1980 im Hirschen aus. Es sollte nur ein Intermezzo von drei Wochen werden, aus dem aber dann die Arbeitsstelle und die Heimat für 41 Jahre wurde.

Nach dem ersten Corona-Jahr und nachdem die Kinder kein Interesse an der Weiterführung des Gasthauses hatten, haben sich Gertrud und Norbert im Januar 2021 zur Aufgabe des Betriebes entschlossen und dies zum 30.05.2021 durchgeführt. Somit waren Gertrud und Norbert Burger das letzte Hirschenwirtspaar.
 
Quellen:
Hermann Andris , Manuskript zu einer Chronik des Kirchspiels Oberried, etwa 1962-64
Wolfgang Hilger, Buch Höfe und Gebäude im Kirchspiel Oberried in früherer Zeit, hgg. 2003
Hessisches Sterberegister, 1850-1958
Gertrud und Norbert Burger, 2024
 
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Euer Michael Martin
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